Muskuläre Schmerzsyndrome

Kompression der Myelinscheide bei Neurapraxie; Urheber: Scientific Animations Inc.; Titel: Neuropraxia;
Kompression der Myelinscheide bei Neurapraxie; Urheber: Scientific Animations Inc.; Titel: Neuropraxia;

„Gehabte Schmerzen, die hab’ ich gern“ (Wilhelm Busch)

Es geschieht blitzschnell. Mit oder ohne Fremdeinwirkung gibt das untere Sprunggelenk nach und fast im selben Moment wird das betroffene Bein schlagartig entlastet, man fühlt einen stechenden Schmerz.

Körperlicher Schmerz ist überlebenswichtig. Ohne ihn kann eine Gefahrensituation schlecht eingeschätzt bzw. unterschätzt werden. So wie im Falle einer kongenitalen sensorischen Neuropathie. Hierbei trägt der Körper im besten Fall Schrammen, blaue Flecken oder Knochenbrüche davon, weil Schmerz vermeidende Reflexe, wie das Wegziehen einer Gliedmaße, schlichtweg ausbleiben. Schuld daran ist eine vererbte Störung des Schmerz- und Temperaturempfindens.

Allgemeine Schmerzreaktion

Kommt es zu einer starken Reizung des Körpergewebes, zum Beispiel durch eine Entzündung oder eine Verletzung, so werden aus den geschädigten Zellen Botenstoffe (z. B. Acetylcholin oder Prostaglandin) freigesetzt und damit die Nozizeptoren, zahllose Messfühler, die die Schmerzinformationen an das Gehirn senden, gereizt. Diese schicken über schnell leitende Aδ-Nervenfasern und über die langsam leitenden C-Fasern Nervenimpulse zum Rückenmark. Vom Rückmark geht der Schmerzimpuls über eine weitere Schmerzbahn zum Gehirn und gelangt in unser Bewusstsein. Wir nehmen an dieser Stelle den Schmerz am Ort der Schädigung wahr. Über die schnellen Aδ-Fasern den ersten stechenden Schmerz und einen dumpfen zweiten Schmerz über die langsam leitenden C-Fasern. Zeitgleich steigen die Herzfrequenz und der Blutdruck, die Atmung wird vertieft, die Pupillen erweitert, die Muskeln werden aus Reflex angespannt und die Schweißproduktion angeregt.

Schmerzursache, nicht immer bekannt

Im Gegensatz zu einer eindeutig lokalisierbaren Verletzung oder Verwundung ist eine muskuläre Schmerzursasche nicht direkt ausfindig zu machen. Die Gründe für den Schmerzreiz können in der Mitbeteiligung des zentralen Nervensystems (ZNS), mit Gehirn und Rückenmark, des peripheren Nervensystems, mit seinen Nervenbahnen, der Gefäße und der Faszien gesucht werden. 

Bewegungsstopp

Ist der Bewegungsablauf, zum Beispiel durch verschleißbedingte Veränderungen im Gelenk, gestört, wobei eine Störung über den Kapsel- und Bandapparat registriert wird, so sorgt das extrapyramidale System (motorische Bahnen), in Zusammenspiel mit dem Kleinhirn über eine Verspannung der antagonistischen Muskulatur, für einen Bewegungsstopp. Die an der Bewegung beteiligten Muskeln entwickeln einen Aktivitätsschmerz und setzen somit den willkürlichen Bewegungsablauf endgültig außer Gefecht. Damit kann eine Ausholbewegung des Arms beim Wurfversuch durch eine Verspannung des Musculus triceps brachii und einen Schmerzreiz im Bereich der vorderen Schultermuskulatur gebremst werden.

Das nervt

Der deutliche Schmerz setzt schnell ein. Eine plötzliche Oberkörperdrehung, Heben eines ungewohnt schweren Gegenstandes oder das Aussteigen aus dem Auto, nach einer langen Autofahrt, bringt das Fass zum Überlaufen. Der mechanische Gewebsdruck auf den markhaltigen Nerven, zum Beispiel durch eine vorgefallene Bandscheibe, kann zu einer Veränderung der aus Schwann-Zellen bestehenden Isolationsschicht kommen. Die Oberfläche der Zellen verändert sich und die Ionenkanäle werden geöffnet. Ein Aktionspotenzial wird nun  ausgelöst und als Schmerzimpuls an das ZNS weitergeleitet.

Ischämie

Eine weitere Ursache für den muskulären Schmerz kann die durch Muskelverspannungen (Myogelosen) hervorgerufene verminderte Durchblutung eines Gewebes, auch Ischämie genannt, darstellen. Hierbei kann es bereits bei 5 % der maximalen statischen Kontraktion zur erheblichen Drucksteigerung auf die muskelversorgenden Gefäße und zur Freisetzung von Schmerz auslösenden endogenen Substanzen, wie Bradykinin, kommen.

Auch durch lokale punktförmige Verhärtungen des Muskelgewebes (myofasziale Triggerpunkte) kann es zu Muskel- oder Gewebsschmerzen kommen. Als Auslöser der myofaszialen Triggerpunkte gilt eine übermäßige Ausschüttung von Acetylcholin an der neuromuskulären Endplatte, einer Synapse, die für eine Signalübertragung zwischen Nerven- und Muskelfaser verantwortlich ist. Es kommt hierdurch zu einer punktförmigen Bildung eines Kontraktionsknotens, welcher wiederum eine Ischämie mit der Freisetzung von Bradykinin und anderen endogenen Substanzen bewirkt.

Bindegewebsfaszien

Die Faszien, eine Unterkategorie von Bindegewebe, umhüllen Organe und trennen die unterschiedlichen Muskelgruppen voneinander. Auf welche Weise durch Faszienkontraktion es zu einer Schmerzsymptomatik im betroffenen Bereich kommt, ist nicht abschließend geklärt. Die Hinweise auf die Kontraktilität des Fasziengewebes, insbesondere des Perimysiums, einer straffen Bindegewebshülle, in der Blut- und Lymphgefäße sowie Nerven verlaufen und welche in den Faszien der tonischen Muskeln verbreitet ist, lassen zumindest den Verdacht zu, dass eine flächendeckende Faszienkontraktion zu einer Kompression der Blutgefäße und Nerven und damit zu einer Unterversorgung des Muskels beitragen kann.

Fazit

Neben den Verletzungen oder Entzündungen gibt es zahlreiche weitere Ursachen für die Schmerzentstehung. Das zentrale Nervensystem, die peripheren Nerven, die Gefäße und Faszien, als Teile des muskulären Systems, können spontan oder durch Aktivität, zum Teil projizierende Schmerzsymptome verursachen.

 

Quellen:

 

Brügger, A. (1987). Die Funktionskrankheiten des Bewegungsapparates: Ein neues Konzept für häufige Schmerzsyndrome. Akt. Rheumatol.. 12: 314-318.

 

Mense S. (2000). Neurobiologie des Muskelschmerzes. DZSM. 51(6): 190-195.

 

Schmidt R., F. & Schaible H. (1993). Neuro- und Sinnesphysiologie. 5. Auflage. Springer-Verlag.

 

Thews G., Mutschler E. & Vaupel P. (2015). Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. 7. Auflage. Wiss. Verl.-Ges..

 

Illustrationen:

 

Urheber: Scientific Animations Inc., Titel: Neuropraxia, Lizenz:

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